Der Begriff der Enterprise Architecture (EA, zu Deutsch: Unternehmensarchitektur) hat keine allgemeingültige Definition, richtet sich aber häufig an Norm wie der ISO 15704, der ISO/IEC/IEEE 42010:2011, oder der etwas älteren aber noch immer oft zitierten IEEE 1471-2000 aus. Er beschreibt zuerst einmal die Struktur einer Unternehmung. Dabei kann es sich beliebig um Wirtschaftsunternehmen, Behörden, Verbände handeln, jede Art von Unternehmung mit einer inneren Organisation, Abhängigkeiten und Kommunikation.
Ziel und Zweck der Enterprise Architecture bestehen darin einen ganzheitlichen Überblick über die Unternehmenslandschaft zu geben, in dem alle Geschäftskomponenten mitsamt ihren Abhängigkeiten aufgeführt sind. Mit der zunehmenden Digitalisierung, in der die IT sich immer mehr von der Commodity zum Enablement entwickelt, beschreibt die Enterprise Architecture die kritischen Zusammenhänge zwischen Geschäfts– und IT-Zielen. Abgeleitet wird die Enterprise Architecture klassischerweise aus der Unternehmensstrategie, obschon die Wechselwirkung zwischen Business und IT im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und der darauf basierenden Geschäftsmodelle sich immer weiter angleicht.
Im Kern zusammengefasst: Enterprise Architecture hat die Aufgabe die IT ganzheitlich so zu gestalten, dass sie zur Geschäftsstrategie passt und diese bestmöglich unterstützt (Business Alignment).
Abb. 1: Rollen der IT in der Enterprise Architecture
Quelle: Hanschkle, I. (2011): Enterprise Architecture Management – einfach und effektiv: Ein praktischer Leitfaden für die Einführung von EAM, S. 185
Die Enterprise Architecture verknüpft also Business und IT, wobei je nach Quelle mal die reine IT-Unternehmensarchitektur zur Enterprise Architecture zählt, mal die Geschäftsarchitektur auch mit betrachtet werden muss. Die Kursangebote seitens Edudirect beziehen sich dabei auf den weltweit anerkannten TOGAF Standard, der Enterprise Architecture ganzheitlich betrachtet und Geschäftsarchitektur und IT-Unternehmensarchitektur einen gemeinsamen Rahmen gibt, das Enterprise Architecture Framework (EAF).
Abzugrenzen ist die Enterprise Architecture als „statisches Bild“ im Übrigen vom vielzitierten Enterprise Architecture Management (EAM), das sich mit der (Weiter-) Entwicklung der Enterprise Architecture beschäftigt, aber eine eigene Disziplin darstellt.
Sich mit der Enterprise Architecture zu beschäftigen macht gerade in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung der Geschäftsmodelle unbedingt Sinn. Zu immer größeren Teilen hängt der geschäftliche Erfolg von IT ab, viele traditionelle wie moderne Geschäftsmodelle würden ohne unterstützende IT scheitern. Um dieser Situation gerecht zu werden, definiert sich die Enterprise Architecture anhand der folgenden Parameter
- Unterstützung des Geschäftszwecks: Alle Komponenten der Enterprise Architecture im Kontext des langfristigen Geschäftserfolges bewerten
- Beherrschung der Komplexität: Vielzahl der Komponenten der Enterprise Architecture und deren Abhängigkeiten zueinander sichtbar und bewertbar machen
- Entscheidungsgrundlage für erfolgreiche Entscheidungen: Chancen und Risiken bewerten
- Flexibilität: Resilienz gegenüber äußeren, nicht direkt beeinflussbaren Veränderungen
Abb. 2: Herausforderungen für die Unternehmensarchitektur
Quelle: Hanschkle, I. (2011): Enterprise Architecture Management – einfach und effektiv: Ein praktischer Leitfaden für die Einführung von EAM, S. 194
Die Enterprise Architecture schafft somit mehr Bewusstsein für die Abhängigkeit von geschäftskritischen Technologien und zeigt auf, wie sich ein vorgeschlagener Service auf die Unternehmung auswirkt. Mithilfe von Enterprise Architecture lassen sich auch unternehmensweit Standards und Methoden wie SOA, Agile, etc. implementieren, um die Bereitstellung von Produkten zu beschleunigen und das traditionelle Abteilungsdenken zu überwinden. Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse ohne Enterprise Architecture? Undenkbar.
Unter dem Dach der Enterprise Architecture werden üblicherweise Organisationsarchitektur (Organisationsstruktur und Geschäftsprozesse) und IT-Architektur (Informationssystem-Architektur) ganzheitlich dargestellt beschrieben.
Hauptbestandteil dieser Beschreibungen sind die Benennung und Charakterisierung einer Unternehmung in Bezug auf ihre Bestandteile, was diese Komponenten machen, wie sich diese Komponenten zueinander verhalten und unter welchen Regeln und Einschränkungen, sie ordnungsgemäß funktionieren.
Vier Architektur-Ebenen werden in der Enterprise Architecture unterschieden:
- Geschäftsarchitektur / Business Architecture
Summe aller Beschreibungen der Geschäftsprozesse: Geschäftsziele, Geschäftsstrategien, Kennzahlen, Organisationen und (Kern-) Geschäftsprozesse bzw. Wertschöpfungsketten, Governancestruktur - Informationsarchitektur, Datenarchitektur / Information Architecture, Data Architecture
Geschäftsobjekte und Daten, die Struktur und Vernetzung der logischen und physischen Datenbestände und Datenverwaltungsressourcen - Anwendungsarchitektur / Application Architecture
Vorlage für Services und Applikationssysteme zur Unterstützung der (Kern-) Geschäftsprozesse, konkrete Entwicklungsvorgaben - Systemarchitektur, Infrastrukturarchitektur / Infrastructure Architecture, Technology Architecture
Physikalische Landschaft (Hardware, Netzwerke) und Software-Infrastruktur, die zum Betrieb der für den Geschäftsbetrieb kritischen Applikationssysteme, Definition von Standards
Eine weitere Dimension ist der zeitliche Faktor. Es wird üblicherweise unterschieden zwischen der
- Ist-Architektur / As-Is Architecture
Der aktuelle Snapshot der Architekturebenen, die das bestehende Unternehmen, die aktuellen Geschäftspraktiken und die IT-Infrastruktur aufzeigen - Soll-Architektur / Target oder To–Be Architecture
Ein definierter Zielzustand zu einem definierten Zielzeitpunkt, der die Zukunft oder den Endzustand des Unternehmens darstellt und in strategische Überlegungen und Geschäfts- und Technologiepläne der Organisation einfließt, bzw. umgekehrt - Plan-Architektur / Transformation Architecture
Ein oder mehrere geplante Zwischenstände zu bestimmten Zeitpunkten auf dem Weg zur Soll-Architektur.
Eine Enterprise Architecture aufzubauen ist eine vergleichsweise aufwändige Angelegenheit, bringt aber auch einiges an positiven Aspekten mit sich. Als positive Effekte bzw. Vorteile einer ausgestalteten Unternehmensarchitektur gelten gemeinhin:
- Generell ein besseres Verständnis zwischen Business und IT.
- Erkennen von Abhängigkeiten: In einer übersichtlichen Darstellung der Wirkungsnetze sind Abhängigkeiten neuer oder geänderter Komponenten der EA schnell zu identifizieren, beispielsweise durch Innovation in Komponenten oder Abläufen.
- Kostenoptimierung bzw. optimierter RoI, da alle Komponenten auf den Geschäftszweck bzw. das Unternehmensziel ausgerichtet sind, anhand der Einflussgröße priorisiert und „überflüssige“ oder ineffiziente Bestandteile mittelfristig optimiert oder vollständig aus der Struktur entfernt werden können.
- Konsolidierung und Redundanzminimierung: In der AE ist schnell ersichtlich, an welchen Stellen ungewollte Redundanz vorhanden ist, und inwieweit diese ggf. aufgelöst werden kann.
- Standardisierung: Durch Prinzipien, die Bestandteil der Enterprise Architecture sind, können die Vorteile gleichlaufender Prozesse, Einzelhandlungen und Entscheidungsmatrizen angewandt werden, was zu vereinfachter Kompatibilität der Komponenten zueinander, einer verkürzten Time To Market für neue oder angepasste Services und Lösungen führt sowie zur Vereinfachung umfassender Transformationen.
- Grundlage für optimierte und schnellere Entscheidungen: Eine gute Entscheidung erfordert eine gute Grundlage. Die Enterprise Architecture zeigt übersichtlich auch indirekte Zusammenhänge und mögliche Auswirkungen von Entscheidungsalternativen auf.
Enterprise Architecture beschreibt also allgemein den Zusammenhang zwischen Business und IT. Im Laufe der Jahre sind eine ganze Reihe von Modellen und Rahmenwerken auf dem Markt erschienen, die teilweise völlig unterschiedliche Herangehensweisen und Fokusbereiche haben. Anders als im IT Service Management mit ITIL gibt es keinen wirklich mehrheitlich anerkannten De-facto-Standard. In unterschiedlichen Erhebungen und in der Meta-Literatur zeigen allerdings bei bis zu 100 betrachteten EA-Frameworks vor allem die Folgenden wiederkehrende Präsenz:
- Zachmann Framework: eines der Ältesten und bis heute einflussreichstes Framework, das ein anerkanntes Beschreibungskonzept umfasst. Allerdings mangelt es an konkreten Methoden, Werkzeugunterstützung und Hilfestellungen für die unternehmensspezifische Konzeption und Einführung.
- TOGAF – The Open Group Architecture Framework: Der TOGAF-Ansatz ist als angedachter Industriestandard eher generisch. Er ist geeignet, um eine Vielfalt von Zielsetzungen abzudecken und leicht erweiterbar durch Bestandteile anderer Frameworks.
- IAF – Integrated Architecture Framework: entwickelt von CapGemini, unterscheidet unter anderem zwischen Contextual (Warum?), Conceptual (Was?), Logical (Wie?) und Physical (Mit was?) und wurde mittlerweile in Teilen in den TOGAF-Ansatz integriert
- FEAF / DoDAF: Modelle für den Behörden– bzw. militärischen Bereich
In den vergangenen Jahren haben sowohl die Weiterentwicklung wie der Marktanteil des TOGAF-Ansatzes dazu geführt, dass dieser mittlerweile mindestens gleichauf mit dem ehemals eindeutig präferierten Zachmann Framework liegt, ohne dabei den Markt zu dominieren.
Noch heterogener als die Masse der Enterprise Architecture Frameworks stellt sich der dazugehörige Softwaremarkt dar. Aufgrund der Komplexität des Themas „EA“, der schieren Anzahl an Lösungen mit unterschiedlichen Fokusbereichen, und der hochfrequenten Entwicklungsschritte in diesem Umfeld, sollte jeder Softwareeinsatz im Rahmen der EA-Umsetzungsaktivitäten individuell geprüft werden.
Ein Ziel bzw. Vorteil der Enterprise Architecture wird stellenweise auch zum Nachteil: Es handelt sich um eine ganzheitliche, umfassende, dokumentationszentrierte, auf Standards ausgerichtete und je nach Umsetzung vielleicht auch schon bürokratisch anmutende Top-Down-Beschreibung einer Unternehmung. Diese kann in hochagilen Organisationen und im Rahmen der aktuellen Digitalisierungswelle gerne auch mal als Hindernis und Fortschrittsbremse identifiziert werden. Der generelle Nutzen einer Enterprise Architecture bleibt dabei aber häufig unbestritten, muss sich in Ihrer Ausprägung jedoch an moderne Strukturen und Geschwindigkeiten anpassen.
So beeinflussen neben der Erhöhung der generellen Veränderungsgeschwindigkeit und der Volatilität des Marktes gerade Themen wie die Digitalisierung samt neuer, digitaler Geschäftsmodelle, die intensivierte Kundenzentrierung, technische Megatrends wie die Nutzung von Cloud-Technologien, und neuere regulatorische Aspekte wie die DSGVO in hohem Maße die Rolle der IT in der Unternehmensstrategie. Der Entwicklung der IT vom Kostenfaktor zum Business–Enabler nimmt immer weiter Geschwindigkeit auf. Umso wichtiger ist es die Strategien beider Perspektiven in Einklang zu bringen.
Genau aus diesem Grund werden moderne Enterprise Architects benötigt, die eine Enterprise Architecture in das aktuelle Jahrzehnt übertragen.
Enterprise Architecture ist ein umfassendes Themengebiet, dass die unterschiedlichsten Sichten aus Geschäfts- und IT-Strategieperspektive vereint. Die Umsetzung einer Enterprise Architecture erfordert dabei auch dauerhaft das Zusammenspiel und die Unterstützung unterschiedlichster Beteiligter (Sponsoren und Stakeholder). Dazu gehören u. a.:
- CIO oder IT-Bereichsverantwortliche,
- Projektmanager großer Projekte bzw. die jeweils zuständige Führungskraft,
- Fachbereichsverantwortliche,
- Verantwortliche für Informationssicherheit oder Compliance und
- Verantwortliche der Unternehmensstrategieentwicklung.
Um diese alle in ein Boot zu holen, reicht der klassische Ober-sticht-Unter-Ansatz nicht aus. Verantwortliche Enterprise Architekten müssen auch außerhalb der Linienorganisation mit allen Sponsoren und Stakeholdern auf Augenhöhe diskutieren können. Es bedarf hierbei neben obligatorischen fachlichen auch ausgeprägten persönlichen Fähigkeiten. Erfahrung, Weitsicht und ein großes Verständnis sowohl für Geschäftsmodelle wie auch für IT-Architekturen sind hierbei lediglich die Grundvoraussetzungen. Das sind Dinge, die sich in der Theorie nur schwer aneignen lassen.
Was allerdings Organisationen wie TOGAF anbieten, sind dedizierte Trainings und Zertifizierungen zur Erlernung und Anwendung des generellen Frameworks, ausgerichtet auf angehende Enterprise Architects. Die Zertifizierung findet dabei auf zwei Levels statt:
- TOGAF 9 Foundation:
Für den Einstieg in die Methode des Enterprise Architecture Management, mit Fokus auf die Grundlagen der Unternehmensarchitektur und ihrer Rolle im TOGAF-Kontext - TOGAF 9 Certified:
Vermittelt ein tiefes Verständnis für TOGAF 9 und dessen praktische Anwendung.
Eine fundiere und praxisorientierte Schulung in Enterprise Architecture bekommt man durch Online-Kurse mit TOGAF-Schwerpunkt. Eine Auswahl von solchen Online-Schulungen bietet die Lernplattform edudirect.de. Dort erhalten Sie die Möglichkeit preiswert und komplett flexibel und ortsunabhängig TOGAF-Kurse zu absolvieren und Zertifizierungen zu erlangen.
Das wird es Ihnen ermöglichen, die Enterprise Architecture in Ihrer Organisation optimal zu gestalten und umzusetzen.
Quellen:
TOGAF Website, www.opengroup.org, zuletzt am 28.02.2021
ISO, www.iso.org, zuletzt am 27.02.2021
IEEE, standards.ieee.org, zuletzt am 28.02.2021
(Gartner, https://www.gartner.com/reviews/market/enterprise-architecture-tools)
Jana Leitl, Entwicklung und Anwendung von Bewertungskriterien für Enterprise Architecture Frameworks, Master Thesis in Wirtschaftsinformatik / TU München, 2007
- S. 7ff
- S. 22f
Wolfgang Keller, IT-Unternehmensarchitektur, ISBN 978-3-86490-406-6
- S. 24f
- S. 28f
- S. 281ff
- S. 305ff
Handbuch IT-Management, e-book-ISBN: 978-3-446-44537-6
- S. 103ff
- S. 130f
Inge Hanschke, EAM einfach und effektiv
- S. 185 (Bild)
- S. 194 (Bild)
- S. 321f
- S. 482ff
Diverse LeanIX Blogbeiträge, https://www.leanix.net/en/blog