Seit den 1990er Jahren ist der Begriff „ITIL“ nicht mehr aus dem IT Service Management (ITSM) wegzudenken. Ungezählte IT-Organisationen haben sich und ihre Services inzwischen an diesem Rahmenwerk ausgerichtet, das auf Basis tausendfach erprobter Best Practices zu einem „De-Facto-Standard“ erhoben wurde.
Kurz zusammengefasst steht der Begriff ITIL für die IT Infrastructure Library, eine Bibliothek an Büchern bzw. Modulen, die den Aufbau eines vollständig aufeinander abgestimmten Managementsystems für IT Services beschreiben. ITIL wurde entwickelt, um der zunehmenden Komplexität und Kritikalität der IT für Unternehmensprozesse bzw. andersherum deren zunehmende Abhängigkeit von der IT gerecht zu werden.
Das Ziel einer ITIL-Organisation ist generell eine wirtschaftlich sinnvolle, verlässliche und höchstmögliche Servicequalität im IT-Betrieb. Eben dies wird durch die Best Practices der Bibliothek unterstützt, sie bietet eine strukturierte, allgemeingültige Grundlage für alle Organisationen, die als interner oder externer IT Service Provider Leistungen für andere Organisationen oder Geschäftseinheiten erbringen. Die ITIL-Empfehlungen umfassen dabei nicht nur operative technische Abläufe, sondern weiten den Fokus auf die ganzheitliche Betrachtung des Wertbeitrags der IT für Geschäftsprozesse. Aus der Commodity-Funktion der IT wird eine Enabler-Rolle. Letztendlich wandelt ITIL IT-Abteilungen in Dienstleistungsorganisation um, in interne (oder aufgrund definierter Schnittstellen potenziell auch externe) IT Service Provider.
ITIL betrachtet also nicht nur operative IT Service Management Prozesse, sondern baut ein vollständiges Managementsystem rund um den Lebenszyklus des ITSM auf. Dieser beginnt bei der Unternehmens- bzw. ITSM-Vision und läuft über Einführung, Betrieb, Messung, bis zur kontinuierlichen Verbesserung und weiteren spezifischen Themen rund um das Thema IT-Unterstützung bzw. IT-Integration für den Unternehmenserfolg. Aus diesem Grund sind die eigentlichen operativen Prozesse des ITSM auch „nur“ als Bestandteil des Gesamtmodells ITIL zu sehen, wobei diese im Rahmen einer ITIL Foundation-Ausbildung ganz klar im Mittelpunkt stehen. Das umfassende Managementsystem wird hingegen in späteren Ausbildungsschritten vermittelt.
Die Besonderheiten des ITIL Rahmenwerkes sind unter anderem:
- die ganzheitliche Betrachtungsweise
- die Durchgängigkeit der Prozesse mit Best Practices-Empfehlungen,
- ein einheitliches Vokabular
- die weltweite und öffentliche Verfügbarkeit dieses Regelwerkes
- seine Reife und permanente Weiterentwicklung
- der strikte Praxisbezug
- die universelle Einsetzbarkeit
ITIL funktioniert grundsätzlich unabhängig unterstützender Softwarelösungen, da es bis zu einer Grobdesign-Ebene das WAS und das WER beschreibt, aber kein detailliertes WIE. Dieses WIE im Feindesign organisationsspezifisch umzusetzen ist Aufgabe der ITIL Experten. Diese tragen in den Rollen als Projekt- und Prozessmanager die ITIL-Standards in ihre eigenen Wirkungsbereiche.
Mit der Weiterentwicklung der ursprünglichen Dokumentensammlung bis zum aktuellen ITIL 4 wurde der Fokus immer weiter auf die Wertorientierung der Prozesse gelegt sowie auf die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse in Form des Prozesslebenszyklus.
ITIL in seiner ursprünglichen Ausprägung wurde in den späten 1980er Jahren als Sammlung von Best Practices im IT-Management definiert. Eine Abteilung der britischen Regierung, das OGC (Office of Government Commerce) untersuchte die Best Practices verschiedener IT-Abteilungen und Unternehmen in Großbritannien. Diese erste Version von ITIL war eine Zusammenstellung von über 30 Büchern.
Die zweite Version von ITIL (ITIL v2) wurde im Jahr 2000 auf neun Bücher reduziert, konzentrierte sich hauptsächlich auf zwei Bücher: Service Delivery und Service Support. ITIL v2 war prozesszentriert und benannte zehn Prozesse, jeweils fünf aus Service Delivery und Service Support. Die Prozesse waren zwar miteinander verbunden, aber es fehlte eine übergreifende Vision und die strukturierte Steuerung und Weiterentwicklung der Prozesse.
Dies führte 2007 zu ITIL v3. Es definierte über 20 Prozesse, die sich über den gesamten Lebenszyklus eines Service erstrecken, von der Konzeption bis hin zu einem Punkt, an dem der Service in regelmäßigen Verbesserungszyklen läuft. ITIL v3 kam mit fünf Büchern heraus, wobei jedes Buch eine Lebenszyklusphase eines IT-Service abdeckt. ITIL v3 hat sich bis heute in vielen IT-Organisationen durchgesetzt.
2011 erhielt ITIL v3 noch ein kleines Update, bei dem einige neue Prozesse hinzugefügt und einige kleine Änderungen an Definitionen und Konzepten vorgenommen wurden. Im Ergebnis betrachtet es 26 Prozesse und vier Funktionen. Diese Version von ITIL wird als ITIL 2011 oder auch ITIL v3 2011 bezeichnet.
Mit dem aktuellen Auslaufen des ITIL v3/ITIL 2011 tritt verstärkt ITIL v4 in den Vordergrund. Inzwischen wird ITIL durch AXELOS veröffentlicht und weiterentwickelt. Das seitens der britischen Regierung und der Capita Group gegründete Joint Venture setzt es sich zum Ziel „Einzelpersonen und Organisationen dabei zu helfen, durch die Übernahme globaler Best Practices bessere Ergebnisse zu erzielen“.
ITIL v4 aktualisiert und erweitert das gesamte Rahmenwerk, um die neuen Herausforderungen im Service Management zu adressieren und die Möglichkeiten moderner Technologien noch besser zu integrieren. Die bisherigen ITSM-Praktiken setzt es dabei in einen breiteren Kontext, erweitert um Themen wie
- Customer Experience,
- Value Streams
- digitale Transformation
- neue Arbeitsweisen wie Lean, Agile und DevOps.
Neu eingeführt wurde unter anderem der Begriff der Service Value Systems (SVS). Das SVS beschreibt die einheitliche, wertorientierte Ausrichtung für die Organisation und dient als Vorlage für die Integration und Koordination von Komponenten und Aktivitäten der Organisation. Ziel des SVS ist es die Organisation konsistent zu halten und maximale Wertschöpfung für die eigene oder die Kunden-Organisationen zu unterstützen.
Das ITIL-SVS beschreibt als seine Kernkomponenten:
- die ITIL-Service-Wertschöpfungskette
- die ITIL-Praktiken
- die ITIL-Grundprinzipien
- die ITIL-Governance
- die kontinuierliche Verbesserung.
Abb. 1: Struktur des ITIL-Ansatzes
Quelle: ITIL 4 Foundation, Copyright © AXELOS Limited 2019.
Material is reproduced under license from AXELOS Limited. All rights reserved.
Einer der ältesten und wesentlichsten Bestandteile und vor allem zu Beginn fundamental wichtig zu verstehen sind die ITIL Grundprinzipien. Diese dienen als Rahmenleitlinien und umfassen übergreifende Empfehlungen, die unabhängig der Volatilität von Zielen, Strategien, Art der Arbeit oder der Managementstruktur gelten. Sie wurden mit ITIL v4 nochmals geschärft, erweitert, aktualisiert:
Abb. 2: Grundprinzipien des ITIL
Quelle: Ebel, N. (2021): Basiswissen ITIL 4: Grundlagen und Know-how für das IT Service Management und die ITIL-4-Foundation-Prüfung, S. 182
Einer der ältesten und wesentlichsten Bestandteile und vor allem zu Beginn fundamental wichtig zu verstehen sind die ITIL Grundprinzipien. Diese dienen als Rahmenleitlinien und umfassen übergreifende Empfehlungen, die unabhängig der Volatilität von Zielen, Strategien, Art der Arbeit oder der Managementstruktur gelten. Sie wurden mit ITIL v4 nochmals geschärft, erweitert, aktualisiert:
- Fokus auf den Wert: Alles, was die Organisation tut, soll direkt oder indirekt einen Wert für die Stakeholder darstellen. Das Prinzip der Wertorientierung umfasst viele Perspektiven, einschließlich der Erfahrungen von Kunden und Nutzern.
- Im Hier und Jetzt beginnen: In den aktuellen Services, Prozessen, Programmen, Projekten und Köpfen der Mitarbeiter wird es bereits vieles geben, das weiter genutzt werden kann.
- Iterative Vorgehensweise mit Feedback: Selbst große Initiativen müssen iterativ durchgeführt werden. Es ist einfacher, den inhaltlichen und zeitlichen Fokus auf einzelne Maßnahmen zu richten, wenn Arbeit in kleinere, überschaubare Abschnitte unterteilt wird. Die Verwendung von Feedback vor, während und nach jeder Iteration stellt sicher, dass Maßnahmen fokussiert und angemessen sind, auch wenn sich Rahmenbedingungen ändern.
- Zusammenarbeit und Sichtbarkeit fördern: Die Zusammenarbeit über organisatorische Grenzen hinweg führt zu größerer Akzeptanz, mehr Relevanz und eine höhere Wahrscheinlichkeit für langfristigen Erfolg. Um übergeordnete Ziele zu erreichen bedarf es außerdem Information, Verständnis und Vertrauen. Arbeit und Resultate sollen übergreifend sichtbar sein, Informationen so breit wie möglich gestreut und „Hidden Agendas“ vermieden werden.
- Ganzheitlich Denken und Arbeiten: Nichts steht für sich allein. Für bestmögliche Ergebnisse müssen die Services als Ganzes funktionieren und ineinandergreifen.
- Einfachheit und Praktikabilität: Alles ohne Wertbeitrag wird gestrichen. Prozesse und Verfahren werden auf das zur Zielerreichung Notwendige reduziert. Es geht rein um ergebnisorientierte, praktische Lösungen.
- Optimierung und Automatisierung: Personal und andere Ressourcen sollen bestmöglich eingesetzt werden. Menschliches Eingreifen sollte nur mit echtem Wertbeitrag geschehen, der Rest durch Technologie abgebildet werden
Die ITIL-Practices (bis ITIL v3 2011: “ITIL-Prozesse”) gliedern sich in drei Practice-Bereiche: Allgemeine Management Practices, Service Management Practices und Technische Management Practices. In den Practices werden die jeweils spezifischen Abläufe, Rollen, Verantwortlichkeiten, Prozesse, Schnittstellen etc. beschrieben – das WAS und das WER.
Besonders hervorzuheben sind:
- Service Desk (Bereich Allgemeine Management Practices): Erfassung von Anfragen von Anwendern sowie die Koordination von Störungsbehebung.
- Service Request Management (Bereich Allgemeine Management Practices): Effiziente Abwicklung von Serviceanfragen der Anwender
- Incident Management (Bereich Service Management Practices): Verwaltung von Störungsfällen zwecks Wiederherstellung eines IT-Services.
- Service Level Management (Bereich Service Management Practices): Festlegen und Abschließen von Service-Level-Vereinbarungen sowie Sicherstellen deren Durchsetzung
- Continual Improvement (Bereich Allgemeine Management Practices): permanente Verbesserung von Prozessen gemäß den sich ändernden Anforderungen sowie die Identifikation von jeweiligen Verbesserungspotenzialen
Zur ausführlichen Auflistung von ITIL –Practices bitte hier klicken.
Über die Begriffe des ITIL können Sie sich hier informieren.
Bei ITIL handelt es sich wie erwähnt um ein übergreifendes, umfassendes Rahmenwerk und beschreibt das WAS und das WER, aber kein detailliertes WIE. Für die Umsetzung und den operativen Betrieb im Rahmen des IT Service Management und verwandter Bereiche bedarf es immer einer organisationsspezifischen Ausprägung. Diese zu gewährleisten ist Aufgabe der ITIL-Verantwortlichen während der Einführung, aber auch während des regulären Betriebes im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung. Für die Updatefähigkeit zu zukünftigen ITIL-Versionen sollten Organisations- und Prozessverantwortliche auf die eindeutige Ausrichtung der Implementierung nach ITIL bestehen. Auch für den Einsatz von Standardsoftware zur Unterstützung der entsprechenden Prozesse bietet sich die klare Orientierung an den empfohlenen Abläufen an, da auch Softwarehersteller ihre Lösungen entlang der aus ITIL bekannten Best Practices designen, Einführungs- und Anpassungsaufwände somit massiv reduziert werden können.
Nicht zuletzt ermöglicht eine hohe Übereinstimmung unternehmenseigener Prozesse mit den ITIL-Abläufen auch die Schulung neuer bzw. Weiterbildung erfahrener Prozessbeteiligter anhand standardisierter Trainings und Trainingsmaterialien, inhouse oder bei einem externen Schulungspartner.
Egal ob im Projekt oder im täglichen Betrieb: Der Nachweis über die Kenntnis des ITIL-Modells erfolgt neben der operativen Erfahrung in erster Linie über die Teilnahme an entsprechenden Schulungen, vor allem aber über die Zertifizierungen, die auf unterschiedlichen Leveln vorgesehen sind:
- ITIL 4 Foundation:
Einführung in ITIL IT-Service-Management als End-to-End-Betriebsmodell für die Erstellung, Bereitstellung und kontinuierliche Verbesserung verstehen. - ITIL 4 Managing Professional:
Praktisches und technisches Wissen darüber erlangen, wie Sie erfolgreich IT-gestützte Services, Teams und Workflows aufbauen und betreiben - ITIL 4 Strategic Leader:
Verständnis für alle Arten digital unterstützter Services erlangen und wie Sie mit IT die Geschäftsstrategie beeinflussen oder ggf. steuern. - ITIL 4 Master:
Für die ITIL-Master-Zertifizierung stellen Sie detailliert Ihre Kenntnisse und Erfahrung dar und begründen wie Sie mit diesen sowie den ITIL Prinzipien, Methoden und Techniken gewünschte Geschäftsergebnisse in praktischen Aufgabenstellungen erreichen.
Gerade diese Standardisierung im Schulungsbereich rund um ITIL sorgt aber auch gerade in den ersten Levels für eine Vielzahl qualitativ sehr unterschiedlicher Angebote für das Training und die Zertifizierung.
Im Rahmen der ITIL Foundation Trainings und Zertifizierung stehen neben der Einführung in das IT Service Management nach ITIL vor allem die folgenden Practices im Mittelpunkt:
- Service-Desk
- Service Request Management
- Incident-Management
- Veränderungsmanagement
- Service-Level-Management
- Kontinuierliche Verbesserung
Die weiteren Practices werden mit auf der ITIL Foundation aufbauenden Schulungen und Zertifizierungen fokussiert.
ITIL bzw. IT Infrastructure Library ist ein umfassendes Rahmenwerk. Die aufgeführten Begrifflichkeiten sind bei weitem nicht vollständig, weder in Menge noch im Inhalt. Jedoch werden sie Teilnehmern vor allem der ITIL Foundation Trainings wiederholt begegnen.